Vertrauen ist die härteste Währung
Marina Kuckertz ist Coach im Bereich Prozess- und Führungskräfteentwicklung.
Das Thema „werte-orientiertes Handeln“ in den (Unternehmens-) Alltag zu integrieren, stellt für Führungskräfte eine große Herausforderung dar. Der Spagat, zwischen ökonomisch notwendigen Anforderungen und gleichzeitig „Sinnvollen“ Ansprüchen Entscheidungen zu treffen, erfordert Selbstreflexion und einen bewussten Umgang mit Werten.
Marina Kuckertz, Jürgen Kutsch
CSR Magazin – Fachmagazin von CSR NEWS, Ausgabe 01/2018
Unternehmen.Verantwortung.Gesellschaft
Es mag zunächst seltsam erscheinen, das Wort „Liebe“ in den Kontext ökonomischer und unternehmerischer Zusammenhänge zu stellen, aber sie allein ist der Hauptweg der katholischen Gesellschaftslehre. Jede daraus beschriebene Verantwortung und Verpflichtung geht aus der Liebe hervor.
Auf der Suche nach einem eigenen Fundament, von dem aus eine Antwort auf die gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit gegeben werden muss (Ver“antwort“ung), kann diese Einsicht hilfreich sein, denn sie öffnet den Blick über das Alltagsgeschäft hinaus in die Gesellschaft, in der sich ein Unternehmen bewegt.
Wir alle wissen, dass sich eine werte-orientierte Führung an den zunehmend komplexer werdenden Zusammenhängen in einer globalisierten Welt, die ihren Ausdruck in und vor der Haustüre jeden Unternehmens findet, zu orientieren hat. Umwelt, Migrationen, Digitalisierung und psychische Erkrankungen sowie ein sich ständig änderndes Familienbild sind nur wenige Schlagworte, die jede Führungskraft in den Blick nehmen muss, um seine Glaubwürdigkeit über seine betriebswirtschaftliche Kompetenz hinaus unter Beweis stellen zu können.
Das ist umso wichtiger, da viele Menschen, insbesondere Jugendliche, angesichts sich immer schneller verändernder Rahmenbedingungen ihre eigene Orientierung verlieren und, die Mitte der Gesellschaft verlassend, den Rückzug in Nischen suchen oder anfällig werden für scheinbar einfache, populistisch vorgetragene Lösungen.
Folgen dieser Orientierungslosigkeit sind ein Mangel der individuellen Kommunikationsfähigkeit, begründet im Mangel, eigene Bedürfnisse und Wünsche zu erkennen und zu artikulieren und damit der Rückzug ins „Ego“, wo der Verlust des Glaubens an sich selbst und an das große gesellschaftliche Ganze schleichend fortschreitet.
Insofern ist diese Entwicklung nicht nur schädlich für jedes nach wirtschaftlicher Prosperität strebende Unternehmen, sondern stellt auch eine Gefahr für unser System der Demokratie dar, die ja bislang den staatlichen Rahmen für wirtschaftliche Freizügigkeit innerhalb eines vereinbarten Konsenses bot.
Auch deshalb liegt es auf der Hand, unternehmerisches Handeln nicht nur anhand starker Bilanzen – so wichtig diese auch sind und bleiben werden – zu bewerten, sondern auch und gerade im Hinblick auf dessen Sozialkompetenz, die ja wiederum Grundlage ist für das Vertrauen, welches dem Unternehmen entgegengebracht wird.
Vertrauen ist die härteste Währung, Vertrauen ist die klingende Münze, mit der zuallererst Fachkräfte, zu oft an allen Ecken und Enden fehlend, gewonnen werden und mit der die Geldbörse des Verbrauchers geöffnet wird, wenn Produkte und Dienstleistungen auch ethischen Standards genügen sollen.
- Welche Werte sind es also, die dieses Vertrauen, diese nicht quantifizierbare Größe im menschlichen Miteinander, schaffen?
- Aus welchen Werten lassen sich belastbare Definitionen dafür ableiten ?
- Welche Grenzen haben Werte ? Sind sie auch angreifbar ?
- Wie lassen sich Wertschöpfung innerhalb betrieblicher Abläufe mit Wertschätzung aller daran beteiligten Personen verbinden?
- Wonach suchen Menschen, wenn sie Lösungen anstreben, und mit welcher Kompetenz wollen sie diese vermitteln?
- Mit welchen konstruktiven Mitteln werden Konflikte und gegenläufige Werte-Bilder in gemeinsame Auffassungen als Basis für konkrete Handlungen überführt?
- Gibt es ein Ende der Fragen über Werte ?
Unserer Auffassung zufolge kann der Ansatz nur personal, also in der direkten Begegnung im konkreten Dialog erfolgen. Hier findet die Auseinandersetzung mit den Wünschen und Befindlichkeiten des anderen statt, und nur hier entsteht das Vertrauen, aus dem gemeinsam verbindlich gestaltet werden kann. Genau das ist der Raum, wo eine Bildung als Voraussetzung für Ausbildung und Lernen gewonnen wird – die Herzens- und Gewissensbildung. Einzig der direkte Austausch stellt das eigene Werte-Gebäude auf die Probe, und nur im Dialog und im gemeinsamen Umsetzen verfasster Pläne erfahren wir, ob die Quelle unserer eigenen Spiritualität sauber genug ist, um daraus eine Haltung zum gemeinsamen, nachhaltigen und verantwortungsvollen Handeln gewinnen zu können – in allen gesellschaftlichen Bereichen, in die wir geführt werden.
Obwohl sich Kirche als Träger der katholischen Soziallehre sozusagen im Wettbewerb mit anderen Bekenntnissen und Anschauungen zu behaupten hat, ist ihr Ansatz, der die Person mit ihrer unveräußerlichen Würde in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen stellt, auch von anders denkenden Strömungen innerhalb eines demokratischen Gemeinwesens unumstritten:
„Jeder Mensch ist einmalig und mit einer besonderen unveräußerlichen Würde ausgestattet. Er ist Träger, Schöpfer und Ziel aller gesellschaftlichen Einrichtungen und dafür verantwortlich, in Freiheit sich selbst zu entwickeln. Als soziales Wesen ist er von anderen Menschen abhängig und für andere Menschen verantwortlich.“
Sofern dies als gültiger Maßstab für ein Handeln, sowohl individuell als auch in der Eigenschaft eines Unternehmens, anerkannt wird, entsteht ein Verständnis und eine Entwicklung von vereinbarten Werten, die im Alltag eines jeden Orientierung bieten und ein Fundament schaffen, auf dem eine sicht- und berechenbare Haltung glaubhaft vermittelt werden kann – ein Boden, auf dem die Saat des Vertrauens gedeiht.
Diese unsere gemeinsame Auffassung, die sich in zweieinhalb Jahren intensiven Austausches herauskristallisiert hat, ist natürlich nicht in Marmor gemeißelt. Wir sind und bleiben offen für Vertiefungen dieser umfangreichen Materie – dialogisch und auf Augenhöhe. Wir laden ein zur Selbstreflexion über das eigene Werte-Fundament, bevor wir in die Auseinandersetzung mit dem anders denkenden und fühlenden Gegenüber führen.
Wir leiten Prozesse ein und fördern neue Zugänge zur eigenen Identität sowie zur bewussten Wahrnehmung der persönlichen Bedürfnisse und Wünsche, um neue Perspektiven in der Kommunikation mit sich und dem Gegenüber zu ermöglichen.
Wir fühlen uns berufen, Anstöße und Impulse zu geben – aus Liebe zum Menschen. Und zum Wohle eines wertschätzendes Miteinanders in Unternehmen als wirkende Einheit inmitten der Gesellschaft.