Das Dalmanuta-Prinzip ist irreführend

Der offene Umgang mit emotionalen Verletzungen ist in unserer Gesellschaft kein Tabuthema mehr.

Die Aufarbeitung seelischer Traumata, oft begleitet von Depressionen, ist vom Rand in die Mitte der öffentlichen Betrachtungen gerückt. Immer mehr Menschen sind betroffen davon und stellen sich dieser Herausforderung, anstatt sie, wie in früheren Zeiten, zu verdrängen oder zu versuchen, sie anderweitig zu kompensieren.

Seelische Verletzungen bedürfen einer anderen Therapie als körperliche, und die Dauer der Genesung ist mitunter langwierig und verläuft meistens nicht linear.

Das hiesige Gesundheitssystem hat diese Problemstellung zwar erkannt, kann aber mit dem dramatisch anwachsenden Bedarf nicht Schritt halten. Dafür sind die individuellen Problemstellungen zu komplex und die Zahl der fachlich geeigneten Therapeuten ist noch zu niedrig.

Psychiatrische Praxen und Kliniken arbeiten am Rande ihrer Kapazitäten, und längst können nicht alle hilfsbedürftig Erkrankten zeitgerecht behandelt werden.

Zudem herrscht im öffentlichen Mainstream immer noch eine Mentalität vor, die vorschreibt, dass Genesung schnell zu erfolgen habe. Mittels Tabletten oder anderer Wirkstoffe müsse das Übel bekämpft werden, um die einzelne Person in dieser schnelllebigen und ergebnisorientierten Zeit wieder funktionsfähig machen zu können.

Ein breites Bewusstsein zur Bereitschaft, langwierige Prozesse behutsam durchzustehen und zu begleiten, fehlt noch zu oft.

Auf diesem Boden gedeihen nun Angebote, die eine schnelle Heilung seelischer Erkrankungen anbieten, praktischerweise ohne ärztliche Begleitung, und suggerieren einen Weg, auf dem angeblich Selbstheilung möglich ist.

Das Dalmanuta-Prinzip ist eines davon.

Im Folgenden will ich nachweisen, wie gefährlich es für die ist, die sich darauf einlassen.

Es ist deshalb so gefährlich, weil es so verführerisch einfach daherkommt und eine einfache Lösung verspricht. Wie bei allen Versprechungen über Wunderheilungen steht am Anfang die Verheißung, am Ende bleiben jedoch nur seelische Verwüstung und aussichtslose Trostlosigkeit – wie bei allen toxischen Drogen, denen man sich verzweifelt anvertraut.

Emotional verletzte Menschen brauchen liebevolle Zuwendung, und mit dem Wort „Liebe“ zieht der Entwickler des klangvollen Prinzips seine Kundschaft auf den Leim. Die Liebe als „Urernergie“ darf nicht fehlen – die „Herzensebene“ ist die Basis für die heilende Entwicklung.

„Botschaften, die nur den Verstand erreichen, heilen nicht“, heißt es weiter auf der Homepage, um vorsorglich direkt zu Beginn der „Heilung“ den Verstand und die Vernunft der Hilfesuchenden auszuschalten.

Denn dann hat er freie Bahn: „das Tor zum Himmel soll sich öffnen“, steht da zu lesen, und damit verabschiedet der Autor seine Leser direkt ins Niemandsland der Realitätsferne.

„Das Tor zum Herzen“ ist der nächste Schritt – hört sich auch wunderbar an, aber dafür brauchen Menschen, seit dem es sie gibt, kein neues Prinzip aus einer Duisburger Wohnsiedlung.

Das dritte „Tor zur Welt“ soll angeblich zu „Verantwortung und Meisterschaft“ führen. Auf jeder Kirmes, auf der man es zur Meisterschaft an der Schießbude bringen kann, geht es ehrlicher zu. Hier weiß man zumindest, dass man seinen Verstand für eine Zeit vernachlässigt, um auf „Herzensebene“ eine Plastikblume für seine Liebste zu schießen.

Um dieser profitgesteuerten Masche den letzten Schliff und dieser perfiden Bauernfängerei die perfekte Maske zu geben, bedient sich der Autor eines Mittels, das er für unschlagbar hält:

er bemüht biblische Zusammenhänge und klittert sie bis zur Unkenntlichkeit zurecht:

„Dalmanuta ist ein Platz am See Genezareth. Dort fanden Wunder statt – Wunder der Liebe und Wunder der Heilung“ usw., usw. wird da verkündet.

Die Sache hat nur einen Haken – sie ist falsch. „Dalmanutha“ wird in der Heiligen Schrift nur einmal erwähnt, und zwar im Markus-Evangelium (Mk 8,10). Und wieviel Wunder geschahen genau dort ?

Insgesamt keines.

Im Gegenteil: dort ließ Jesus Christus, der vorher das Wunder der Brotvermehrung wirkte, die Pharisäer nach einem Streitgespräch einfach stehen. A propos Jesus Christus: Er, der die Wunder bewirkte, kommt in den Schilderungen des Autors nicht ein einziges Mal vor. Er würde ja auch nur stören, wenn es um die schamlose Verbreitung von Halbwahrheiten geht.

Auch in seinen Facebook-Beiträgen ist der Verfasser des Duisburger Prinzips der Persönlichkeitsentwicklung nicht wählerisch mit biblischen Motiven: ob beim Gang nach Emmaus, ob zu Pfingsten oder grundsätzlich zur Liebe: wo es um vorsätzliche Verdrehung biblischer Zusammenhänge geht, hat Gott bei ihm keinen Platz.

Er, der die Verzweiflung seelisch erkrankter Menschen kennt, ist ja selber Vermittler und Spender der „emotionalen Heilungsarbeit“. Völlig folgerichtig wurde mein Facebook-Kommentar zu seinem Beitrag vom 7. Juli (über Liebe, bebildert mit einem roten Herzchen-Luftballon vor blauem Himmel) von ihm wegzensiert.

„Gott ist die Liebe“ hatte ich dort geschrieben, was vom Duisburger Liebesexperten natürlich als Majestätsbeleidigung aufgefasst werden musste. In Diktaturen, die das Blaue vom Himmel versprechen, geht es nicht anders zu.

Und der honorarpflichtige Seminaranbieter geht noch weiter:

im Mäntelchen von „Bodenständigkeit“, „Verantwortungsbewusstsein“ und „gleicher Augenhöhe“ soll der Begriff der Nächstenliebe vermittelt werden.

„Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst“

ist immer ein Evergreen, der bei der Manipulation erkrankter Seelen nicht fehlen darf. Auch hier unterschlägt der Verfasser die Hälfte, nämlich den wesentlichen Teil des Doppelgebotes der Liebe, das unser Herr Jesus Christus souverän zusammenband: „Du sollst den Herrn, Deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und ganzer Kraft“ (Dtn 6,5) und „Du sollst Deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Lev 19,18) ist dessen vollständige Version und kommt nur so zu seiner vollen Tragfähigkeit. Es zeigt die Liebe als innerstes Band menschlichen Lebens.

Einmal im Traumland auf den Meditationssitzen im Dachgeschoß der Wohnung in Duisburg-Wedau angekommen, geht es nun völlig enthemmt weiter:

„wir glauben nicht an dunkle Mächte und böse Energien“ heißt es u.a. in den Leitsätzen. Na, dann: willkommen auf dem Ponyhof ! Das Böse kommt im Traumland des Dalmanuta-Prinzips nicht vor.

Wahrscheinlich wird demnächst auch das Vaterunser abgeändert, das seine Schäflein mitunter gerne mal auf aramäisch beten. „Und erlöse uns von dem Bösen“ kann ja dann ersatzlos gestrichen werden.

Die vergiftete Oase, die ihr Installateur anbietet, ist brandgefährlich für jene, die in diesem Prinzip, am Ende ihrer Kräfte, orientierungslos und ausgebeutet, einen Strohhalm sehen und ihn vertrauensvoll ergreifen. Dort, wo sie entkräftet nach Heilung suchen, lauern nämlich, wie Hyänen in der freien Wildbahn, Kreaturen, die die Schwäche dieser Opfer ausnützen und sich nicht schämen, die emotionale Ausbeutung fortzusetzen. Je kleiner der Charakter eines Menschen, desto schwächer muss die Person sein, an denen man sein narzisstisches Ego befriedigen kann.

Und in so einem Fall ist der Meister des Prinzips dann wieder fein raus: zwar „reicht man sich dort die Hand und nimmt zugleich die Hand des anderen“, aber wenn diese den Nächsten einfach über den Tisch zieht und emotional ausbeutet, ist das nicht der Fehler des Missbrauchenden, sondern des Opfers: „wir sind nicht verantwortlich für die Menschen“ heißt es lapidar.

Auf Deutsch: selber schuld, wenn Dein Vertrauen in das Gute des Gegenübers geblendet und getäuscht wurde.

Damit wird das Schutz suchende Opfer einfach wieder aus der wohligen Kuschelatmosphäre herauskatapultiert.

Der Trick, Heilung ohne Verantwortung für die Hilfesuchenden zu vermarkten, zieht Kreise.

Von diesem Kuchen möchten die, die sich nach dieser Gehirnwäsche auch „Lehrer“ nennen dürfen, auch gerne bedienen und anderen Menschen das Gehirn waschen.

Das ist genau so, als wenn ein Alkoholiker mit einem Jim-Beam – T-Shirt durch die Gegend laufen und Problemlösungen durch Whisky-Trinken anbieten würde.

Liebe Dalmanuta-Family,

Reiki ist eine spirituelle Richtung, der man hellwach, aufgeklärt und mit klarem Verstand begegnen sollte. Verkauft man sie als Mittel zur Selbstheilung, begibt man sich sehenden Auges auf dünnes Eis. Probleme und Herausforderungen des Alltags lassen sich damit nicht lösen. Wie soll „Persönlichkeitsentwicklung“, dessen Prinzip auf Halbwahrheiten fußt, verantwortungsvoll vermittelt werden ? Klärt die Menschen, die sich Euch anvertrauen, fairerweise bitte vorher darüber auf, dass ihr Weg in der Sackgasse enden kann.

Hütet Euch vor den Irrlehren !